Berichte und Mitteilungen
Dorflauf in Breuna
28.06.2007, 09:50, von Elisabeth Herms-Lübbe, isaherms[at]hotmail.com*Da hatte sich der TSG Breuna zur 750-Jahrfeier des Ortes etwas ganz
Besonderes ausgedacht: einen ganzen Nachmittag und Abend Laufveranstaltung
im Dorf.
Festlich hergerichtet war Breuna: beleuchtbare Nummern mit 750 an mehreren
exponierten Stellen, Fahne mit Wappen und Flatterbänder in den Farben weiß,
rot und grün an den Laternenmasten, etwas italienisch. Auf dem schönen neuen
Platz zwischen Kirche und Kulturscheune waren Zelte aufgestellt für allerlei
nützliche Zwecke: Essen und Trinken, Massage, Musik,
Sportbekleidungsverkauf. Ziemlich viele Menschen waren da.
Die Damenumkleide war oben in der Kulturscheune unter einen nachtblauen
Sternenhimmel. In dem Gebäude war ich neulich schon einmal zu einer anderen
Jubiläumsveranstaltung. Eingeladen war ein bekannter Sohn Breunas, der
Reiseschriftsteller Wolfgang Büscher, der Autor des geliebten Buches
„Berlin-Moskau – eine Reise zu Fuß“. Gewandert ist er auf seiner Reise,
nicht gelaufen. Er erzählte von seiner Kindheit in Breuna und von den weiten
Wäldern, in denen er und seine Gefährten gespielt hätten. So hat er wohl
schon als Kind Vorstellungen von Raum und Weite bekommen und wie man sie
überwinden kann. „Unser einziger natürlicher Feind war der Förster.“ So
waren die Förster noch vor wenigen Jahren auch die natürlichen Feinde der
Läufer. Nun laufen sie selber. Wenigstens einige.
Es wurden Strecken aller Längen angeboten, die beim Nordhessencup üblich
sind, meist auf verschieden langen Dorfrunden: alte Häuser, neue Häuser,
Pferdeäpfel auf der Straße, Felder, die schon spätsommerlich nach Ernte
dufteten, gutgelaunte Zuschauer am Rande der Laufstrecke und neugierige
Ziegen, die auf den Hinterbeinen stehend das Geschehen beäugten. Der
Halbmarathon hatte eine Dorfrunde am Anfang und am Ende, dazwischen war
Landschaft.
Auch einen Firmenlauf gab es, denn Breuna, das Dorf neben der Autobahn, hat
auch ein Gewerbegebiet. Genial, die Idee mit einem Firmenlauf im Dorf. Das
ist doch anders als zum Beispiel die drängende Fülle in Frankfurt, wo bei
einem solchen Anlass in diesem Jahr 69 000 Läufer angetreten sind. Zum
Firmenlauf kann ich aber nichts sagen, da ich zu der Zeit weg auf der
Halbmarathonstrecke war.
Ich war die Letzte in meiner Disziplin. Da hatte ich leibhaftige elf
Besenradfahrer hinter mir, dazu auf dem Rückweg einen Geländerwagen mit
Vierradantrieb. So viel Aufmerksamkeit! Das hätte doch nicht nötig getan! Da
kam ich mir vor wie George W. Bush beim Joggen. Aber einmal verlor ich meine
Digitalkamera aus der Hülle, da wurde sie mir flugs nachgetragen. Wäre sie
sonst verloren gewesen? Ich glaube nicht. Im Wald geht so schnell nichts
verloren. Einmal bin ich auf ähnlicher Strecke 161 km gelaufen und habe
dabei meine Brille – na ja, Lesehilfe vom Discounter – verloren. Die war im
Ziel wieder da, die hatte jemand gefunden.
Die elf Besenradfahrer waren Kinder und Jugendliche auf Mountainbikes. Das
ist doch mal ein Potenzial für eine Radsportgruppe! Irgendwie schienen sie
Spaß zu haben, nun, unter diesen Umständen etwas gemindert, denn sie mussten
ja langsam fahren. Dazu kam nach der ersten halben Stunde noch ein
ordentlicher Regenguss, und die meisten hatten keine Regensachen dabei.
Zurückgekehrt ist aber keiner, alle haben durchgehalten. Hoffentlich hat
sich niemand erkältet. Schade, im Ziel waren sie sofort weg, wahrscheinlich
Pullover holen, ich hätte gern noch mit ihnen gesprochen.
Ich hatte noch ein ganzes Stück bis zur Malsburg vor mir, die der Wendepunkt
der Breunaer Pendelstrecke ist, da kam mir der Läufer entgegen, der im
Halbmarathon siegen sollte: ein 57-jähriger Thüringer. Erstaunlich. In dem
Alter. In Thüringen liegt eine Patengemeinde von Breuna, die Glas
verarbeitende Gemeinde Gehlberg, die aus diesem festlichen Anlass eine
gläsern Medaillen für jeden Läufer gespendet hatte. Sie ist ein
Erinnerungsstück. Mit ihrer massiven voluminösen Form entzieht sie sich
jeglicher anderer Nutzung.
Breuna hat noch eine andere Patengemeinde. Das ist Predappio in Italien. Da
bin ich mal gewesen: Mit einigen Leuten aus unserer Radsportclub aus dem
Kasseler Landkreis hatten wir den Ort als Etappenziel gewählt, und als wir
auf dem dortigen Ortsschild auch überraschend auch Breuna erwähnt sahen,
fühlten wir uns plötzlich schon fast heimisch. Ansonsten weht ja der kühle
Hauch der Weltgeschichte durch den Ort Predappio, denn da ist der Duce
geboren und nach seinem schmählichen Ende beigesetzt worden. Gleich hinter
dem anheimelnden Ortsschild gingen wir dann in eine große düstere Kneipe,
die nach dem Passatore hieß, der so eine Art norditalienische Robin Hood
ist. Nach dem Passatore ist auch der legendäre 100-km-Lauf von Florenz nach
Faenza benannt, zu dem ich immer schon mal wollte, womit wir nach diesem
Exkurs wieder beim Laufen wären. Übrigens ist Predappio auch ungefähr 100 km
von Florenz entfernt.
Das Siegertreppchen war dasselbe wie immer. So gehört sich das für einen
anständigen Verein. Immer schön wegräumen und wieder hervorholen. Das
Treppchen überlebt uns noch alle. Ich habe auch einmal darauf gestanden,
früher, als ich noch schneller war und günstiger platziert war in meiner
Altersklasse. Sachpreise gab es damals wie heute in Breuna: Brot, Bildband,
kleine Sektflasche, solche Dinge. Die damalige Siegerin meiner Altersklasse
war auch dieses Jahr wieder in Breuna, auf einer Kurzstrecke. Ich hatte
Mühe, sie wieder zu erkennen, so schmal war sie geworden, die Haare jetzt
stoppelkurz und grau, denn der Krebs hatte wieder zugeschlagen.
Jahrzehntelang war sie ihm davongelaufen. Es sieht so aus, als gelänge ihr
das wieder.
Diesmal hatte ich den 79. Gesamtplatz im Halbmarathon belegt. Primzahl. Nach
79 Marathons hat die damals Zweitplatzierte meiner Altersklasse aufgehört,
an Volksläufen teilzunehmen. Schade. Beim Passatore war sie auch mal.
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